August und Abschied

Fischerboote im Kolona-Hafen 


Liebe Familie, Freunde, Unterstützer und Leser, 

lange musstet ihr auf diesen Blog warten. Ich habe es ewig aufgeschoben, mich noch einmal mit dem Abschied und somit dem Ende meiner Zeit auf Rhodos zu beschäftigen. 

 Im August dauerte die Hitzewelle mit bis zu 47°C weiter an und dann brannte es schließlich auch auf Rhodos. Das war für mich sehr beängstigend. Der Strom fiel aus, Tag und Nacht flogen Löschflugzeuge und Hubschrauber über uns hinweg und Menschen wurden evakuiert. Rhodos bekam Hilfe von Feuerwehr und Löschflugzeugen vom Fest- und Ausland. Nach ungefähr einer Woche wurde das Feuer dann schließlich gelöscht, aber ein riesiges Waldgebiet ist vollständig verbrannt. Zum Glück gab es - anders als in anderen Regionen Griechenlands - keine Toten. Sophie war zu dieser Zeit bereits abgereist, und ich bewohnte das Zimmer nur noch mit Nele. Ich verbrachte die Zeit intensiv mit den Kindern, und Nele und ich gingen an meinem letzten Wochenende noch einmal aus. 


Im Behindertenheim Agios Andreas verabschiedete ich mich beim Personal mit einer Karte, und unser Team wurde sehr gelobt. Die Kinder hingegen verstanden nicht, dass ich am nächsten Tag nicht wiederkommen würde. Ich weiß nicht, ob es diesen Abschied schwieriger oder leichter gemacht hat… Ich wünsche mir einfach, dass sie diese Zeit mit mir genauso genossen haben wie ich, dass ich ihnen etwas beibringen und ihr Leben ein ganz bisschen bereichern konnte. Umgekehrt kann ich dies für mich auf jeden Fall sagen! Ich bin zuversichtlich, dass die neuen Freiwilligen unsere Arbeit gut weiterführen und hoffe, die Kinder eines Tages wieder zu sehen. 

Kinder im Agios Andreas 


Im Waisenhaus machte ich am 11. August noch einen wunderschönen Ausflug mit den Kindern. Wir fuhren gemeinsam baden, ich spielte mit den Kindern im Wasser und am Strand, wir gingen essen und hatten eine tolle Zeit. Das war wirklich eine schöne Abschiedstour. 

 Am 12. 8. verabschiedete ich mich von Rose und im Büro des Waisenhauses. Abends ging ich dann nach unten zu den Mädchen, um mich auch von ihnen zu verabschieden. Ich versuchte, so gut es ging, stark zu bleiben obwohl ich in diesem Moment unendlich traurig war. Als dann aber einige Mädchen anfingen zu weinen, konnte auch ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Zum Abschied bekam ich ein kleines Kuscheltier und mehrere gemalte Sachen geschenkt. Die Kinder gingen dann zu Bett und ich ging mit meiner Freundin aus dem Waisenhaus ins Wohnzimmer, wo wir gemeinsam weinten und uns gegenseitig trösteten. Wenig später kam die Sozialarbeiterin zu uns und berichtete, dass die Kinder wirklich sehr traurig waren. Die Jüngeren hätten sie gefragt, warum Aliki gehen muss und warum überhaupt alle sie immer irgendwann alleine lassen würden. Sie selbst war von dieser Frage ganz bedrückt. Die Kinder haben so wenig Halt und mussten in ihrem Leben schon so viele Abschiede und Trennungen hinnehmen.
Während ich diesen Blog schreibe weine ich auch wieder… das war wirklich eine schmerzhafte Erfahrung für mich - und wie viel mehr für die Kinder im Waisenhaus! 

Ich habe mich danach gefragt, ob ich vielleicht kein so enges Verhältnis mit den Kindern hätte zulassen sollen. Andererseits jedoch hatten wir so eine schöne Zeit zusammen, die mich und bestimmt auch die Kinder bereichert hat. Ich wünsch mir, nächstes Jahr die Kinder im Agios Andreas und im Waisenhaus zu besuchen, sie wieder in meine Arme zu schließen und ihnen zu zeigen, dass ich sie nicht vergesse. 

Die halbe Nacht packte ich dann noch, weil ich einfach viel zu viel Gepäck hatte. Nele musste mir sogar noch zwei Pakete hinterher schicken, als ich am 13. August morgens früh abreiste. 


Ich verbrachte anschließend noch zwei Wochen Urlaub in unserem Haus auf der Chalkidiki mit meiner Schwester (die ich ein Jahr nicht gesehen hatte!!) und zwei Freundinnen. Das war ein guter Übergang vor der Rückkehr nach Hamburg. 


 
Rückblickend - könnt ihr euch sicher schon denken - hat die Zeit auf Rhodos mir sehr gefallen. Wahrscheinlich war es das Beste, was ich in meinem Leben bis jetzt gemacht habe. 
Ich bin selbständiger geworden, kann offener auf neue Situationen zugehen und meine Fähigkeiten und Stärken besser einschätzen. Ich bin froh, dass ich mich für einen Freiwilligendienst entschieden habe. Ich habe zwar erkannt, dass man nicht erst ins Ausland gehen muss, um zu helfen und Sinnvolles zu tun, aber dass meine Wahl schließlich auf Rhodos gefallen ist, war für mich ein doppelter Gewinn. Denn zusätzlich zu meiner Arbeit im Waisenhaus und in der Behinderteneinrichtung  konnte ich tiefer in die griechische Kultur und Mentalität eintauchen und damit meine Wurzeln besser verstehen. Ich habe griechisch gelernt. Und ich habe mich in Rhodos verliebt - die wunderschöne Natur, die Berge und Wälder, die malerischen Dörfer, die historische Altstadt, die Sonne und das Meer....und ganz viele liebe Menschen!

Am Gadoura-See


Wenn ich das Jahr und die Lehre daraus mit einem Wort beschreiben müsste, wäre es “Dankbarkeit”. Dankbarkeit für alles, was ich in meinem Leben habe. Meine Familie, meine Freunde. Ich bin gesund. Ich bin geliebt. Ich habe Geld, ein Zuhause und Essen. Ich kann alles schaffen, was ich will. Ich habe verstanden, dass das für viele nicht selbstverständlich ist, Ich gehöre zu den privilegiertesten Menschen, die es auf dieser Welt gibt. Das macht mich dankbar und demütig zugleich. Ich hoffe und wünsche, dass diese Empfindung mich weiterhin prägt und begleitet. Euch allen danke ich für Eure Unterstützung, ein besonderer Dank denen, die das Agios Andreas auch finanziell bedacht haben! Ich danke für Eure guten Wünsche, Eure Begleitung - und dafür, dass Ihr an meiner Zeit auf Rhodos teilgenommen habt! 

Herzlich, Eure Aliki



Hier noch ein paar Impressionen:

Akropolis von Lindos

Abendstimmung im Zimmer
auf der Dachterrasse
Blick von Rhodos-Stadt nach Ialysos

im Rodini-Park


Katze in der Altstadt



Das Waisenhaus









Kommentare

  1. Liebe Aliki. Es ist ein sehr emotionaler Abschiedsbericht, der sich nachvollziehen lässt. Du hast ein sehr grosses Kompliment verdient für die Zeit, die du dort mit sehr grossem Engagement verbracht hast. Und du hast ein sehr grosses Herz. Es ist nicht leicht, wenn man Vertrauen zu Menschen aufgebaut hat, diese dann verlassen muss, und man nicht weiss, wie es dort weitergeht. Du hast aber Kraft gefunden und es hat dir sehr viel für deinen weiteren Lebensweg mitgegeben. In Gedanken mit dir und bei dir. Deine C + M.

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